Jasmina Prpíc ist Juristin und gründete 2007 den Verein Anwältinnen ohne Grenzen e.V. Sie engagiert sich für Frauenrechte, hält Vorträge und wurde mehrfach für ihr Engagment ausgezeichnet.
Jasmina, du engagierst dich bei Anwältinnen ohne Grenzen. Kannst du uns über den Verein erzählen?
Jasmina: Wir, Juristinnen unterschiedlicher Herkunftsländer, haben uns am 6. November 2007 entschlossen, durch die Gründung des Vereines Anwältinnen ohne Grenzen e.V. den Grundstein für eine vertiefte Gemeinschaft unter Juristinnen verschiedener Nationalitäten zu legen.
Trotz aller Fortschritte und Erfolge bei der Bekämpfung von Diskriminierung und Ungleichbehandlung der Frauen bestehen auch in ganz Europa nach wie vor unübersehbare Unterschiede zwischen der rechtlichen und der faktischen Gleichstellung der Geschlechter. Dies gilt übrigens auch für hoch entwickelte Länder, in denen oft die Auffassung vertreten wird, Frauen würden zwar in anderen Ländern diskriminiert, jedoch nicht in ihrem eigenen.
Aus diesem Grund haben wir uns zur Aufgabe gemacht: Uns mit Kolleginnen weltweit zu vernetzen und austauschen, Missstände benennen und sichtbar machen, Betroffene schützen und juristisch unterstützen.
Und übrigens: Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern ist kein Privileg, sondern ein Grundrecht.
Welche Aktionen bereiten Anwältinnen ohne Grenzen für November vor?
Jasmina: Wir sind bei zwei Projekten dabei:
16 Tage ab 25. November: Aktion NEIN zur Gewalt an Frauen
Nach wie vor zählt Gewalt gegen Frauen zu einer der am weitest verbreiteten Menschenrechtsverletzungen. Seit Jahren bemühen sich die Vereinten Nationen darum, Gewalt an Frauen zu thematisieren und langfristig zu bekämpfen. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat den 25. November als Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen ausgerufen. Der 10. Dezember wurde von den Vereinten Nationen zum Tag der Menschenrechte deklariert.
1991 hat das Women’s Global Leadership Institute die Kampagne ’16 days of activism against gender violence‘ ins Leben gerufen. Unter dem Motto ‚Orange The World‘ hat UN Women 2008 den Ball aufgenommen. Seither ist ‚Orange The World‘ Teil der ‚UNiTE to End Violence against Women‘ Kampagne des Generalsekretärs der Vereinten Nationen.
Unser Verein leistet traditionell auch dazu einen Beitrag und kooperiert auf internationaler Ebene mit Frauenorganisationen bei der Gestaltung dieser Aktion.
In diesem Jahr 2021 bin ich seitens UN Women Österreich zur Fachtagung „Femizide – Mord an Frauen, Hintergrund und aktuelle Entwicklungen“ am 25. November 2021 eingeladen worden, als Vertreterin des Vereines Anwältinnen ohne Grenzen an dieser Kampagne als Referentin teilzunehmen.
Flyer Fachtagung „Femizide – Mord an Frauen, Hintergrund und aktuelle Entwicklungen“ (pdf).
Anlässlich der traurigen Aktualität (per 21.10 2021 gab es bereits 22 Frauenmorde lt. polizeilicher Kriminalstatistik in Österreich) will UN Women Österreich in Kooperation mit ORANGE THE WORLD das Thema ‚Femizide – Mord an Frauen’ im Rahmen von zwei Fachtagungen in Graz und in Wien aufgreifen und näher beleuchten.
Mein Thema ist: Femizid, weltweit – Entwicklungen in Deutschland und aktuelle Berichte aus Bosnien und Herzegowina
Der Begriff Femizid, wird in einer spezielleren Bedeutung für die Tötung von Frauen allein aufgrund ihres Geschlechts verwendet. In Deutschland will aber Femizid die deutsche Regierung nicht anerkennen. Noch nicht.
Femizid in Deutschland ist real. Gewalt gegen Frauen nimmt zu.
Traurige Bilanz #Femizid in Deutschland 2021 (Stand: September 2021, Polizei- und Pressemeldungen – Quellensammlung): 215 Männer (Ehemänner, (Ex-)Partner, Väter, Söhne, Brüder, Nachbarn etc.) töteten bis heute bereits 103 Frauen und 20 Kinder (davon 13 Mädchen, 6 Jungen und 1 Baby) sowie 4 Männer und verletzten 120 weitere Frauen, 6 Kinder und 7 Männer z.T. lebensgefährlich und bedrohten 2 Frauen und 4 Kinder.
Aufgrund von Corona und der damit einhergehenden Lockdown-Situationen wurden die unerträglich hohen Zahlen nochmals gesteigert. Nichtsdestotrotz werden diese sogenannten Femizide nicht nur gesellschaftlich verharmlost, wenn etwa von „Beziehungstaten“ oder „Verbrechen aus Eifersucht“ die Rede ist, sondern auch juristisch oft unter Verweis auf „Trennungsabsichten“ der Frauen und die verletzten Gefühle der Männer nicht als Mord gewertet.
Kann die Einführung eines juristischen Tatbestands „Femizid“ hier Abhilfe schaffen? Was genau kennzeichnet Femizide und (wie) kann das Umfeld auf Warnsignale reagieren?
Diese und weitere juristische Fragen werden in der letzten Zeit immer öfter diskutiert auch in Deutschem Bundestag. Das wird auch mein Thema am Sonntag, den 21. November 2021 mein Thema bei dem Podiumsgespräch in Freiburg sein: Frauen* im Blick – Frauenrechte, Sexismus und Gewalt
elche Aktionen bereiten Anwältinnen ohne Grenzen für November vor?
Frauen* im Blick – Frauenrechte, Sexismus und Gewalt
Sonntag, 21. November 2021, 14.30–16.30 Uhr
In der Gesprächsreihe „Frauen* im Blick“ treffen porträtierte Freiburgerinnen auf Frauen* aus den Bereichen Politik, Wirtschaft und Soziales. Im dritten Teil sprechen sie über Gleichberechtigung als Grundrecht, Sexismus, Ursachen von Gewalt an Frauen*, Auswirkungen der Globalisierung sowie sexualisierte Gewalt in Kriegs- und Krisengebieten.
- Şenay Awad, Vorstandsvorsitzende Sozialdienst muslimischer Frauen Freiburg
- Christina Gröbmayr, Rechtsanwältin, Vorstandsvorsitzende Bezirksverein für soziale Rechtspflege Freiburg
- Dr. Gabriele Michel, Vorstandsvorsitzende AMICA e. V.
- Jasmina Prpić, Gründerin und Geschäftsführerin von Anwältinnen ohne Grenzen e. V.
- Lúcia Rolim-Schulz, Aktivistin für Frauenrechte, Vorsitzende Frauenkommission des Migrant_innenbeirats
- Irene Vogel, Stadträtin der Unabhängigen Frauen
- Moderation: Dr. Jenny Warnecke, Projektkoordination samo.fa des Interkulturellen Vereins FAIRburg e.V.
Warum ist es für dich wichtig, dich sozial zu engagieren, insbesondere in Migrantenprojekten?
Jasmina: Zu diese Frage verweise ich auf meinen Beitrag im bereits erschienenen Buch im Zusammenhang mit dem o.g. Projekt „Frauen* im Blick“.
Wenn die Deutschen wüssten, wie viel Wissen bislang verloren ging.
Frauen sind so gut ausgebildet wie nie zuvor. Aber das spiegelt sich nicht in den Positionen – insbesondere in den Führungspositionen – wider. Das ist global so. Als Migrantin kämpfe ich für Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt und verlange: Gebt uns die Chance, zum Vorstellungs- gespräch eingeladen zu werden, auch wenn sich die ausländische Ausbildung nicht 1:1 mit der Stellenbeschreibung deckt. Ein kleiner Hinweis bei der Ausschreibung wie „eine im Ausland er- worbene Qualifikation“ könnte eine Vielzahl von hoch qualifizierten Migrant*innen, die hier gut gebraucht werden, motivieren, sich zu bewerben.
Arbeit bedeutet für Migrant*innen weit mehr als nur finanzielle Absicherung. Gerade in Deutschland ist sie auch ein Hauptkriterium für gesellschaftliche Teilhabe. Wer diese Norm nicht erfüllt, wird aus dem gesellschaftlichen Leben ausgegrenzt. Und dabei geht es nicht um irgendeine Beschäftigung, sondern um eine menschenwürdige. In Deutschland kommt es nicht selten vor, dass gut ausgebildete Migrant*innen mangels Alternativen in niedrig entlohnten und unsicheren Dienstleistungsbereichen tätig sind: Reinigungsarbeiten, Pflege und Betreuung – vor allem, weil ihre im Ausland erworbenen Abschlüsse hierzulande selten anerkannt werden. Wenn die Deutschen wüssten, wie viel Wissen bislang verloren ging – und noch geht! Für diese Stadt und den Staat, für diese Gesellschaft.