Dr. Lucimara Brait-Poplawski ist Vorstandsvorsitzende des Vereins Forum Internationaler Frauen Baden-Württemberg. Sie beantwortet uns 3 Fragen, wie sich der Verein für die Rechte von Migrantinnen einsetzt.
Lucimara, du bist beim Forum Internationaler Frauen, wofür setzt ihr euch ein?
Lucimara: Das Forum Internationaler Frauen Baden-Württemberg entstand 2018 aus der Notwendigkeit, das politische Engagement der Migrantinnen zu institutionalisieren. Wir waren aber schon Jahre vor der Gründung als „AG Internationale Frauen“ aktiv. Wir haben in Stuttgart viele Treffen von Migrantinnen und öffentliche Veranstaltungen zu „Teilhabe und Gleichstellung von Migrantinnen“ organisiert. Klar ist auch, dass viele Frauen unserer damaligen Gruppe seit Jahrzehnten für die Rechte von Frauen in unserem Herkunftsland gekämpft haben.
Wir haben festgestellt, dass es in Baden-Württemberg keine landesweite Vertretung von Frauen mit Migrationsgeschichte gab. Und das im 21. Jahrhundert in einem formal demokratischen Rechtstaat wie Deutschland! Wir sind keine Minderheit, 30 Prozent der Bevölkerung hierzulande haben einen sogenannten Migrationshintergrund. 2017 lebten 1,6 Millionen Frauen mit Migrationsgeschichte in Baden-Württemberg (Statistisches Landesamt BW 2017). Ungeachtet davon sind wir – nach wie vor – unzureichend politisch organisiert. Unter dieser Bedingung, haben wir ohne mehr politische Beteilung von Migrantinnen kaum eine Chance, die gesellschaftliche Entwicklung mitgestalten.
Unsere politische Arbeit entstand vor allem aus den individuellen Erkenntnissen, dass Frauen, die insbesondere nach 1990 nach Deutschland eingewandert sind, zwar über eine akademische Ausbildung verfügen, die aber hierzulande nicht anerkannt wurde. Das ist nicht alles: Das „Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen“, das sogenannte Anerkennungsgesetz vom 2011, hat zwar einen institutionellen Prozess der formalen Anerkennung von Hochschulabschlüssen gestartet, aber es ändert nicht strukturell die allgemeine Haltung unter anderem von Arbeitsgebern über die Gleichwertigkeit des Fachwissens von Migrantinnen und Migranten. Das lässt sich auch durch die Statistik veranschaulichen.
Als wir mit Unterstützung vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB-BW) die erste Veranstaltung zum Thema „Benachteiligung hochqualifizierter Migrantinnen auf dem deutschen Arbeitsmarkt“ im Rahmen der Aktion „Frauenwirtschaftstage“ der Landesregierung Baden-Württemberg gestaltet haben, wurden einige Steine ins Rollen gebracht. Von da an sind viele politische Entscheidungsträger bei uns zum Gespräch gewesen. Seit 2015 entstanden mehrere Frauenvereine auf kommunaler Ebene. Das ist gut, aber wir werden uns nur Gehör verschaffen, wenn wir uns vernetzen und unsere Kräfte bündeln. Ich hoffe sehr, dass wir – als politisch aktive Frauen – miteinander ins Gespräch kommen und zusammenarbeiten. Dafür setzen wir uns ein.
Welche Aktionen bereitet ihr derzeit vor?
Lucimara: Wir planen eine Veranstaltungsreihe mit dem Titel „Internationale Frauen – kompetent und engagiert“. Sie enthält mehrere Workshops zum Thema Frauenrechte und Arbeitsmarktintegration. Sie werden von akademischen Fachfrauen aus unserem Frauenverein durchgeführt. Die Veranstaltungen werden online stattfinden und wir laden gerne alle interessierten Frauen mit und auch ohne Migrationserfahrungen herzlich dazu ein. Bei Fragen sind wir erreichbar unter kontakt@forum-internationaler-frauen.org
Themen und Termine in Kürze:
- Frauen. Migrantinnen – Von struktureller bis hin zu häuslicher und partnerschaftlicher Gewalt. Freitag, 17.09.2021 von 9 bis 13:30 Uhr
- Deutsche Kultur auf dem Arbeitsmarkt. Etwas, das dir niemand gesagt hat! (in portugiesischer Sprache). Samstag, 9.10.2021 von 10 bis 13:30 Uhr
- Mut zur Selbstständigkeit – Eine Wirtschaftsoption für zugewanderte Frauen. Mittwoch, 10.11.2021 von 18 bis 20 Uhr
- Finanzplanung – Grundbausteine der Altersvorsorge. Mittwoch, 10.11.2021 von 18 bis 20 Uhr
- Migrantinnen in der Pflege und in der Pflegeausbildung: Chancen und Hindernisse. Freitag, 5.11.2021 von 19:30 bis 21 Uhr
Du bist aktiv in IDEA. Warum findest du es wichtig, sich zu vernetzen?
Lucimara: Das Projekt IDEA hat eine Plattform für uns geschaffen, damit unsere Geschichte und Erfahrungen dokumentiert werden. Wir sind Teil dieses Landes und es ist wichtig, ein Teil seiner Geschichte zu sein. Dafür bin euch dankbar, denn durch die Vernetzung, können wir untereinander Informationen und Erfahrungen austauschen, voneinander lernen, um unsere Kompetenz für das eigene und gemeinsame Engagement zu stärken.
Mehr Infos zum Verein Forum Internationaler Frauen Baden-Württemberg.